Sonntag, 4. Oktober 2015

Vier Monate zusammen und noch immer nicht...

... verblödet, äh verbloggt, äh nein, doch, verblödet


Nein, ich habe nicht die Absicht, etwas dazu zu sagen, wie die Beziehung zwischen der Deutschen Bischofskonferenz und den Bloggern aussieht im Vergleich dazu wie sie aussehen sollte.

Die Palme auf der ich diese Überschrift fand wurde von jemand anderem gepflanzt:
Ellen Jacobi. Ihr auf dem Jakobsweg spielender Roman "Frau Schick räumt auf" ist besser geschrieben als unsere letzte Nachtlektüre. Nur leider strotzt sie umso mehr von blöden Ideen derselben Art.

Der Roman wurde mir von einer lieben Freundin geliehen. Wäre es mein Buch, hätten wir den Text wohl bereits redigiert. Um 2/3 kürzer wäre es wahrscheinlich ein guter Roman. So beschlossen wir gestern, hm, eigentlich wollen wir ja doch weiterlesen, wir tun einfach so als sei das letzte Kapitel nicht existent.

Man kann sich ja fragen, wieso wor sowas tun. Also schlechte Literatur lesen, die auch noch Themen verunglimpft mit denen wir zwei uns nicht nur besser auskennen als die Autoren, sondern die uns auch noch am Herzen liegen. Nun ja. Sagen wir mal, sich gemeinsam zu amüsieren kann eben viele Formen annehmen... Es ist so ein bisschen wie beim gemeinsamen Schlagabtausch mit der Facebook Repräsentanz des Bistums Münster. (Und wehe hier sagt jetzt einer, wir sollten uns nicht gegenseitig hochjubeln!)

Doch genug der Vorrede.
Her mit der Palme!
Ich zitiere:

"Immer nur verliebt und wie mit Pattex aneinandergeklebt, das führt doch zur Verblödung!" (S. 222)

Wir haben erst mal gelacht.

Doch was genau steckt eigentlich hinter dieserm postfeministischen Liebes-unglauben?
Ich spule mal ein paar Sätze zurück:

"Die meisten jungen Leute haben da heute ja höchst unvernünftige Erwartungen und gehen sofort auseinander, wenn es mit der Romantik in der Ehe nicht mehr klappt. Romantik ist ja geradezu eine neue Religion." (ebd.)

So weit so zustimmungsfähig.
Wir waren auch erst mal direkt erstaunt, wo die Autorin so plötzlich ein weises Wort hernahm.

Doch die dem folgende Gleichsetzung von Liebe, Romantik und Verliebtheit offenbart den Fehler im System.
Aber keine Angst, es geht noch platter:

"Immerhin haben sie und Paulchen einander immer respektiert und auch das Bedürfnis nach Eigenleben. Sie haben ihre Persönlichkeiten nie dem Partnerlook geopfert [...]" (ebd.)

Also. Postfeministische Lebens- und Liebesweisheit mal kurz auf eine Formel gebracht:
Liebe = Romantik = Verliebtheit = das, was einen zu solchen Plattitüden wie Partnerlook treibt = Aufgabe der eigenen Persönlichkeit
Klar.


Nun, ich bin eigentlich schon immer der Meinung gewesen, dass die gegenwärtige Zeit es einem besonders schwer macht, seinen geeigneten Partner zu finden.

Der moralische Liberalismus erlaubt es nämlich, dass romantische Gefühle zur Bedürfnisbefriedigung missbraucht werden.
Doch machen wir uns nichts vor: Das ging früher auch. Und hinterließ weit dramtischere Spuren, wenn etwa eine Sitzengelassene der gesellschaftlichen Ächtung ausgesetzt war und, allein, vielleicht aus Familie und Heimat verstoßen, ein ebenso geächtetes Kind durchbringen musste.
Heute ist es nicht im geringsten ungewöhnlich, wechselnde oder eben gar keine Beziehungen zu haben. Ich z.B. bin in der Überzeugung aufgewachsen, allein erziehende Mutter zu sein ist genau so normal wie eine Familie mit Partner zu haben. Natürlich ist diese durch mein kindliches Erleben geprägte Auffassung schon eine gewisse Zuspitzung, lässt sich doch festhalten, dass es in der Gesellschaft schon auch ein Problembewusstsein gibt dafür, dass es eben allein mit Kind schwer ist.

Der Punkt ist: Heutzutage ist es normal, schnell Beziehungen einzugehen und mit dem Partner im Bett zu landen, bevor man Zeit hatte zu überprüfen, ob die Verliebtheit denn auch wirklich zu echter Liebe heranwachsen kann. Verliebtsein ist romantisch, deshalb schön. Stimmt soweit. Falsch aber ist es, anzunehmen, genau deshalb haben Vorsicht und Geduld da nichts zu suchen.

Ja, ich bin meine Beziehungen auch so schnell eingegangen. Alle. Ich konnte schlicht nicht anders, weil es mich zu dem drängte, an den mein Herz sich zu hängen anfing.
Ich habe nie gelernt, wie man es schafft, das Herz aufmerken zu lassen, den Schritt zu lenken und zu verlangsamen, um erst zu prüfen, ob sich denn da, bei diesem, auch Boden findet, auf dem ich und mein Herz leben können.
Dazu kommt, dass Vorsicht dieser Art heute nicht mehr als Sorgfalt erkannt wird. Allzu schnell hält man für Abweisung und Lieblosigkeit was sich doch eigentlich gerade aus echter Liebe speist.
Ist ja auch kein Wunder; in einer Gesellschaft, in der es normal ist, zumindest theoretisch mit jedem ins Bett zu gehen der einem auch nur gefällt.

Als ich 16 war stellte mir eine zwei Jahre ältere Freundin am Telefon die Frage, ob sie noch normal sei. Es ging darum, dass sie mit 18 noch Jungfrau war. Natürlich ist das noch normal, machte ich mich stark.
Aber was ich nicht wusste und was mir die gesamte Atmosphäre um mich herum anders beigebracht hat ist, dass es nicht total absurd ist, mit jemandem den man liebt nicht gleich ins Bett zu geben.
In diesem Sinne haben die Postfeministinnen Recht:
Wer sich von Romantik dazu verführen lässt, Verliebtheit vorschnell mit Liebe gleichzusetzen, macht sich verletzlich und bringt sich in die doppelte Gefahr der Vereinnahmung einer- und des Sitzengelassenwerdens andererseits.

Wenn es in einer übereilt aus romantischer Verblendung eingenangenen Beziehung an Liebe mangelt, ist man in einer ständigen Bringepflicht: Man muss dem anderen jeden Tag aufs Neue beweisen, wie man den anderen am Anfang so begeistern konnte.
Ich werde nie den bodenlos enttäuschten Gesichtsausdruck meines Ex vergessen, als er mir, mit einer Mischung aus Ratlosigeit und Vorwurf, sagte: "Und ich dachte, du wärst fleißig!"
Oder wie er, neben anderen Vorwürfen, die er im Annulierungsprozess erhob, um meine Glaubwürdigkeit zu diskreditieren, schrieb, ich habe bei der morgendlichen Zubereitung von Schnittchen für seine Mutter keine Rücksicht darauf genommen, was sie aufgrund ihres krebsgeschädigten Magens nicht vertrug.

Bringepflicht:
Ich habe, nicht täglich, aber doch gewohnheitsmäßig, solche Sachen gemacht wie für meine Schwiegermutter etwas vorbereiten, dabei - natürlich! - Brotbelag gewählt, den sie bevorzugte und mit der geringen Auswahl versucht, eine durch Abwechslung anregende Mischung zu finden, damit sie sich nicht ausschließlich von Kuchen ernährte, oder gar nichts aß. Weniger erfolgreich war ich in Sachen Haushalt; sowas wie Staubsaugen und Staubwischen etc. habe ich nicht in einem wöchentlichen Rhythmus geschafft, jede Woche die Wäsche zu machen ging meist noch gerade.
Liebe, Zuneigung oder auch nur Respekt konnte ich damit nicht erwerben.

Wahrscheinlich bin ich verblödet.


Aber, liebe Postfeministinnen, diese Phänomene haben mit Liebe nichts zu tun.

Sie werden möglich, weil es heutzutage nicht mehr notwendig ist, sich einer Person an der man ein sexuelles Interesse hat, mit respektvoller Vorsicht zu nähern. Sie werden möglich, weil es heutzutage verpönt ist, abzuwarten und sich zurückzuhalten, bis man wirklich weiß, ob diese Verliebtheit zu echter Liebe wachsen kann, oder ob es sich nur um eine romantische Verblendung handelt. Sie werden möglich, weil man allzu oft nur die Wahl hat, ob man sich jemandem jetzt verpflichtet fühlen soll, weil er einem den Hof macht, oder eben nicht.


Ich bin davon überzeugt, dass eine Erziehung, in der mir beigebracht wird, wie zum Teufel noch mal man es anstellt, seine Jungfräulichkeit zu bewahren, mir (und auch den meisten anderen Menschen!) viel Seelenqual und biografische Irrwege erspart hätte. Aber dieses Wissen ist und bleibt mir verborgen.


Wie habe ich das gelöst?

Ich habe nach einer sehr schmerzhaften Zeit sehr genau gewusst, worauf ich achte, ganz von selbst haben sich anhand der Negativerfahrung in mir die Fragen gebildet: Welche Eigenschaften muss ein Mann haben, damit ich ihn wirklich lieben kann, mit allem was dazugehört? Welche Eigenschaften braucht er, damit er mich so lieben kann wie ich bin? Welche Eigenschaften stören mich an einem Mann so sehr, dass ich ihn nicht verstehen, nicht lieben, nicht respektieren könnte? Welche Eigenschaften würden es ihm erschweren, ja unmöglich machen, mich zu verstehen, zu lieben und zu respektieren?
Das Leben hielt mich fest am Ort der Schmerzen, bis ich auch die Antworten hatte.

Und dann kam das Wunder:
Beim Lesen eines gewissen Blogs ging bei mir ein Licht an und die aus den Antworten gebildete 'innere Liste' klappte auf:
Ich las und las und las und ein Häkchen nach dem anderen erschien.
Ein Screenshot verriet mir den Namen seines Facebook-Profils - genau zwei Tage bevor Zuckerdose ihn aufforderte, seinen realen Namen im Profil anzugeben.
Ein Blick in die Info-Rubrik setzte ein weiteres wichtiges Häkchen in meine Liste.

Und jetzt wollte ich sehen, ob das Potential sich in der Begegnung tatsächlich entladen würde.

Es tat's.

Mein Liebster und ich sind tatsächlich gerade etwas mehr als vier Monate ein Paar.
Und wir können immer wieder erstaund feststellen:
Es ist gar nicht langweilig, sich die ganze Zeit zu sagen, dass man sich lieb hat.
Da braucht man auch kein Pattex.
Und der Partnerlook wird davon auch nicht angelockt.

1 Kommentar:

  1. Wenn es mir recht erinnerlich ist, hatte ich damals gesagt: Das Blog da mußt Du uuuunbedingt lesen.
    Im Übrigen: Wunderbarer Artikel!

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