Mittwoch, 23. September 2015

Gut Fuß!

Es war einmal eines schönen Tages, als Gutfuß und Bösfuß noch Rechtsfuß und Linksfuß hießen, da waren sie beide ganz einträchtig auf demselben Fahrrad unterwegs, und immer wenn Linksfuß oben war war Rechtsfuß unten und umgekehrt.

Da sendete das Gehirn eine Gefahrenmeldung: "Achtung, drohende Kollision mit parkendem Auto, ich lenke über Schiene. Vorsicht!"

Und noch bevor Linksfuß und Rechtsfuß Hasenfüße werden konnten - BUM! TSCHAKKA! WUSCH! Kawumm und kabolz flogen sie samt Fahrrad auf den Asphalt, denn der Fahrradreifen hatte sich in der Schiene verkeilt.
Und weil das Fahrrad nach links umfiel, konnte Rechtsfuß sich vom Pedal wegstrecken in die Luft, bis er zusammen mit allem Anderen auf dem Boden landete. Aber Linksfuß erging es schlecht. Er wurde gestaucht zwischen Pedal und dem umgefallenen Bein was vom Knie aus drückte und rückte, verdreht zwischen Pedal und Straße, gequetscht zwischen Straße und Fahrrad und gezerrt und gezogen von der ganzen Bewegungsenergie, denn das alles ging sehr schnell.
Und Linksfuß wurde furchtbar böse und machte großes Aua.

Das Gehirn war erst mal verdattert und es kamen lauter Leute, die setzten alles zusammen auf eine Bank und riefen den Notarzt. Währenddessen wachte das Gehirn auf, aber nur, um laut aua zu schreien, und dann machte es noch ein bisschen Schock. Dann sortierte das Gehirn, aha, die Brille ist noch da und uns ist schon gar nicht mehr schlecht, und das Aua ist zum Glück nur am Fuß.

"Was heißt hier nur?" Dachte sich Linksfuß, denn er war ziemlich kaputt und furchtbar böse. Er wollte auch kein Eis drauf haben - das hatten die Leute vom Krankenwagen draufgetan -, weil das Gewicht vom Eis da drückte wo es kaputt war.

In der Notaufnahme gab es Schmerzmittel, intravenös, so dass das große Aua von Linksfuß beim Gehirn nicht mehr ankam, wodurch sich sofort die allgemeine Laune besserte. Nur Linksfuß war noch immer ganz kaputt und furchtbar böse.
Auf dem Röngten konnte man sehen, dass Linksfuß nicht gebrochen war. Außer am Zeh. Am Gelenk war auch was kaputt, aber wie schlimm das wirklich war war nicht zu sehen. Schließlich gibt es in so einem Fuß ja nicht nur Knochen und das was nicht nur Knochen ist kann man auf dem Röntgenbild nicht sehen.
Linksfuß bekam jedenfalls erst mal eine Schiene und das war's dann auch schon.
Aber er war immer noch furchtbar böse.

Doch außer Schmerzmittel nehmen und ihn hochlagern war erst mal nix zu machen. Das muss noch mal genauer angesehen werden, wenn es abgeschwollen ist, hieß es, und zumindest was das genauer Ansehen betraf war Linksfuß durchaus auch der Meinung, aber wie er bei dem ganzen Salat abschwellen sollte wusste er auch nicht. Also blieb er immer noch böse und wurde ein richtiger Bösfuß.
Währenddessen musste Rechtsfuß die ganze Arbeit alleine machen, zusammen mit den Armen und Schultern und Bauchmuskeln. Auf Krücken nämlich. Und weil Rechtsfuß ja nichts anderes machen konnte, als sich in sein Schicksal zu ergeben und sein Bestes zu tun, wurde er kurzerhand zum Gutfuß. Gezwungenermaßen.

Bösfuß konnte nur rumliegen oder -hängen und außerdem machte er große Panik wenn ihm jemand zu nahe kam. Und großes Aua natürlich, aber das merkte keiner mehr, denn es gab ja die Schmerztabletten.
Dann kam Bösfuß ins MRT und der ganze Salat wurde sichtbar.
Kurz gesagt, Bösfuß war nicht umsonst so furchtbar böse. Er war nämlich sehr gründlich kaputt. Eine Menge Sehnen waren gerissen, und andere waren gezerrt, und außerdem waren die Knochen innen drin geschwollen, im Knochenmark; sie waren nämlich nur man gerade so nicht gebrochen und hatten furchtbare Mühe damit gehabt.

Jedenfalls musste Bösfuß operiert werden. Wenn nämlich so sehnige Sehnen zerreißen, dann schnipsen sie weg wie Schnipsgummi und deswegen können die auch nicht wieder heilen, wenn man sie nicht wieder langzieht und zusammennäht. Und einige abgeplatze Knochenteile mussten auch wieder rangeheftet werden.
Das war ja alles ganz schön und gut, aber Bösfuß hatte in der OP viel Stress und er machte unvergleichlich großes Aua, noch viel größer als überhaupt jemals zuvor. {Also wer jemals gedacht hatte, dass eine Wurzelbehandlung mit offen liegenden Nervenenden am Zahn schlimm ist, der hat noch nie einen Knochen verschraubt bekommen.} Erst nach anderthalb Tagen beruhigte sich Bösfuß wieder soweit, dass die normalen Schmerzmittel wirkten und er stellte fest, dass man ja so eigentlich ganz hübsch und in Ruhe wieder zusammenwachsen kann.

Aber das dauert.

Und dauert...

Und dauert.

Und in all der Zeit vergaß Bösfuß vollkommen, wie man sich eigentlich so fußig bewegt und erst recht wie man geht. Und Gutfuß wurde so langsam quengelig, weil er die Nase voll davon hatte, immer alles alleine zu machen. Außerdem mochte er nicht immer so auf den Boden gepatscht werden. Zum Abrollen braucht man nämlich beide Füße.

Bösfuß heilte also so vor sich hin und wurde wieder friedlich und es brauchte bald gar keine Schmerzmittel mehr und statt dessen gab es Bewegungsübungen.

"Gut Fuß!" Sagte das Gehirn und "Nur Mut! Das wird schon!" Und ließ den Fuß vorsichtig auf und ab nicken.

2 Kommentare:

  1. Zum Trost bekam Bösfuß ja außerdem zwei schmucke Ziernarben. Die hat Gutfuß nicht, und damit muß er nun leben.

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  2. Sehr anschaulich geschrieben!

    Ich laufe gerade mit einer Oberschenkel-Gipshülse, vom Knöchel bis zum Gesäß, herum.

    Alles Gute, Martin

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